Dr. Uwe Schulten-Baumer: Der Mann, der die Champions macht

Wenn er zum Turnier fährt und die Ampeln stehen hintereinander auf Rot, dann möchte er am liebsten umkehren. Als Nicole Uphoff und er an jenem 23. Mai 1987 in Lausanne zum Turnierplatz fuhren, "standen alle Ampeln auf Grün, da wusste ich, nichts kann mehr schief gehen", erzählt er. An jenem Tag brachte Nicole Uphoff auf Rembrandt die Dressurwelt mehr als zum Staunen, es war der Anfang zweier einmaliger Karrieren, einer Reiterin und eines Pferdes. Und es war der Durchbruch für Dr. Uwe Schulten-Baumer (74), der anders ist als andere. Er macht eben die Sieger.

Der Doktor, wie man ihn nennt, liebt weiß. Alles ist hell bei ihm, die Reithalle, die Stallungen, das Haus. Weiß, das ist eine klare Farbe, und er hasst alles, was anders ist. Er ist kein direkter Eigenbrötler, doch ein bisschen schon. Er mag keine Massenaufläufe, keine Versammlungen, keine Enge. Und er lehnt Zweckgemeinschaften ab, auch für Geld. Vor einigen Jahren legte ihm ein damals noch wohlhabender Vater und Geschäftsmann einen Blankoscheck hin, er solle ruhig einen Betrag seiner Wahl eintragen, aber dafür seinen Sohn trainieren. Schulten-Baumer lehnte ab.

Er sieht Pferde anders als andere, er blickt in sie hinein, und er erkennt oft schon das junge Pferd als kommenden Champion. Er geht nicht nach Abstammung und nicht nach Farbe. Er sieht das Pferd in seiner Ganzheit, "Losgelassenheit ist das Geheimnis zum Erfolg", sagt er, also Lockerheit, Zufriedenheit, Aufmerksamkeit und Freude. „Man müsse mit dem Pferd arbeiten, nicht gegen, so sein Credo. Keiner hat mehr Pferde im großen Sport herausgebracht, keiner auch diese Meister geschaffen wie seinen Sohn Uwe, seine Tochter Alexandra, die viermalige Olympiasiegerin Nicole Uphoff und zuletzt nun Isabell Werth (31), die seine Gedanken und Empfindungen so unvergleichbar und geradezu magisch auf und mit dem Pferd umsetzt. Eine blinde Verständigung, die meist keiner Worte bedarf. Das ist Seelenverwandtschaft. Sie hat auf Gigolo in Atlanta sein Lebenswerk vollendet und zum Abschied der großen Karriere des einmaligen Gigolo FRH nochmals Gold mit dem Team und Silber in der Einzelwertung in Sydney erreicht.

Beruf war sein Job, Pferde sind sein Leben. Manchmal fragt er sich auch, warum er im Winter zehn Stunden in der kalten Halle steht. Doch er weiß, ohne das wäre er unglücklich. Er ist ein Fanatiker der Reitkunst, was ihn ärgert, das ist das Gerede von der Klassischen Reitlehre, "keiner kann mir das so richtig erklären. Was vor 50 Jahren als klassisch angesehen wurde, damit könnte man heute keinen Blumentopf mehr gewinnen. Aber damals redete man auch schon von der Klassischen Reitlehre." Niemand außer ihm denkt so über diesen Sport und das Pferd nach. Er trainiert nur eigene Pferde, und er betet nichts mehr an als den Sieg. Zweiter zu sein heißt für ihn, verloren zu haben. Und er sagt: "Wissen in diesem Sport genügt nicht, es gehört auch blinde Passion dazu."

Dieter Ludwig