REITERJOURNAL-EXTRA 2017 - Donnerstag

Seite 14 Rei ter journal -Ext ra Donnerstag, 16. November 2017 Schlosspark von Donaueschingen. 1991 holte sie mit ihrem Gigolo ihr erstes EM-Ein- zelgold. Seither gehen die Uhren am Viereck anders. Keine Reiterin hat den Dressursport in dieser Zeit mehr geprägt als sie. Sie hat der einst steifen Frackreiterei eine frisch- freche Note verliehen. Es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn man ihr eine Art historische Rolle zuschreibt. In der Stuttgarter Schleyer- Halle hat sie mit ihren Auftritten Meilen- steine für die eigene Karriere und für die Turniergeschichte gesetzt. Hier hat sie schon vor Glück und vor Gram geweint, die beson- ders herzzerreißenden Comebacks sind ihr hier in Stuttgart gelungen. Unvergessen sind die Verabschiedungen von Gigolo und Satchmo, die lange Zeit die wichtigsten Pferde der Laufbahn waren. Sie strahlt mitt- lerweile die Souveränität eines Menschen aus, der in sich ruht. Den nichts mehr er- schüttern kann, außer die Faszination des Sports selbst. Es vergeht kaum eine Medail- lenehrung ohne Tränen – aber auch damit geht sie selbstsicher um. Eine Augenbraue leicht nach oben gezogen, hat sie immer mal wieder einen Spruch auf den Lippen, den sich andere nicht trauen würden. So ist sie zur Instanz im Sport geworden, nach innen und nach außen. Wenn Isabell Werth im Ak- tuellen Sportstudio dem Volk mitteilt, dass ein Pferd durchaus auch einmal etwas ener- gischer zur Höchstleistung angespornt wer- den muss, nicken sogar Tierschützer mit dem Kopf: „Ist ja logisch…“ Und wenn sich Dressurtheoretiker für den Weltreiterver- band wieder einmal eine abenteuerliche neue Wertungsvariante einfallen lassen, fragt man besser erst einmal Isabell Werth, was man davon halten soll. Sie findet klare Worte – und diese finden Gehör. Nicht zuletzt hat sie es geschafft, die beiden Rollen als Top-Sportlerin und Mutter zu ver- einen, ohne dass sie darum großes Aufhe- bens macht. Sohnemann Frederik (8) ist zum Beispiel der Grund, warum man die Weltranglistenerste am Abend besser nicht anrufen sollte. Da will sie nämlich – für ihr Kind – ganz alleine da sein. Die Frau schätzt ihr Umfeld, allen voran na- türlich ihre Mäzenin Madeleine Winter- Schulze, die sie „meine unersetzliche Stütze“ nennt. Das hat sie sich aufgebaut, mit Profes- sionalität, Korrektheit, dem Herz auf der Zunge und mit einer erfrischenden rheinlän- dischen Hemdsärmeligkeit, die sie auch als „Dressurkönigin“ nicht ablegen mag. „Wir sind zwar nicht in Schweden, wir können aber trotzdem einen auf Dich heben“, so stand auf einem Plakat, mit dem das Stall- team in Rheinberg seine Chefin nach der Rückkehr begrüßte. Sie reimen vielleicht nicht so gut im Stall Werth, aber sie sind an- sonsten die Besten. P.S.: Die Redaktion des Reiterjournal-Extra, freut sich besonders, die weltbeste Dressurreiterin für eine tägliche Kolumne gewonnen zu haben. Die erste le- sen sie in der heutigen Ausgabe dieser Tur- nierzeitung, die nächsten Kolumnen be- schäftigen sich unter anderem durchaus kritisch mit der Zukunft der Turniere und einem neuen Dressur-Richtverfahren). Roland Kern Unvergessen bleibt auch Gigolo. Foto: Krenz

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