REITERJOURNAL-EXTRA 2017 - Sonntag

Seite 36 Rei ter journal -Ext ra Sonntag, 19. November 2017 Stimmt, aber es sind beides Familien, in de- nen das Reiten eine wichtige Rolle spielt. Rutscht man dann eher in dieselbe Schiene? Simone: Natürlich, definitiv. Mir wurde das Reiten in die Wiege gelegt. Maurice, war das bei dir als Junge eigentlich genauso? Maurice: Ich habe schon lange Fußball ge- spielt, aber es stand nie zur Diskussion, was anderes als Reiten zu machen. Simone: Bei mir war das nicht ganz so klar. In der Schule waren Bio und Chemie meine Lieblingsfächer, dann wurde in Bayern ein Lehramtsstudium mit diesem Schwerpunkt angeboten. Dann sagte ich mir: Das kann nichts schaden. Ich habe aber schon vor dem Referendariat gemerkt, dass ich das zeitlich mit dem Sport nicht vereinbaren kann, vor allem, weil es da mit Alice immer intensiver wurde. Aber das Studium habe ich wenigs- tens abgeschlossen. Und man weiß ja nie, was in der Zukunft ist. Maurice, hätte Simone dir in Bio und Chemie Nachhilfe geben können? Maurice: Das hätte ich in jedem Fach gut gebrauchen können (lacht). Die Schule war bei mir nur geduldet, ich wollte das nur so schnell wie möglich hinter mich bringen. Lernen war nicht so mein Ding. Ich habe lie- ber einen mehr geritten, als zu lernen. Ist es in eurer Generation schwieriger, Be- rufsreiter zu sein, zumindest, wenn man auch vom Pferdeverkauf leben muss? Maurice: Ich denke ja. Vor allem ist es gar nicht mehr möglich, gute Pferde zu behalten, weil der Aufwand so hoch geworden ist, dass man die besten Pferde oft verkaufen muss. Simone, du bist in der komfortablen Situa- tion, dass deine Stute nicht verkäuflich ist, wie kommt das genau? Simone: Weil ich die besten Sponsoren der Welt habe, meine Eltern. Dafür bin ich auch sehr dankbar. Aber bei meinem Freund Hansi und mir wird das auch nicht immer so gehen, da muss sich irgendwann auch was ändern. Dafür muss man sich auch von Pfer- den trennen und braucht einen Plan für die Wirtschaftlichkeit, sonst geht es nicht. Aber Alice ist zum Glück eben außen vor. Anderes Thema: Simone, war es für dich ei- gentlich immer klar, bei den Deutschen Meisterschaften in diesem Jahr in der Her- renkonkurrenz an den Start zu gehen? Simone: Ich wollte das schon immer mal, weil ich unbedingt einmal Aachen reiten wollte. Im vergangenen Jahr habe ich ja den Damentitel gewonnen, mich aber danach doch alleine gelassen gefühlt. Ich durfte nicht mal Münster reiten. Um bei den Herren zu starten, brauchte ich aber eine Startge- nehmigung. Als ich in Mannheim im Früh- jahr so richtig gemerkt habe, welche Mög- lichkeiten meine Stute hat, habe ich bei Otto angefragt und der war dann auch dafür. Maurice, ist es etwas anderes, wenn man in der Prüfung von einer Frau geschlagen wird? Maurice: Nein, gar nicht. Ihr steht ja beide für den Generationswech- sel im deutschen Springsport. Bundestrainer Otto Becker wurde in den Jahren zuvor im- mer dafür kritisiert, er würde davor zurück- scheuen. Habt ihr diese Kritik verstanden? Maurice: Nein. Zum Championat müssen im- mer die Besten, egal ob das dieselben sind oder Neue. Das darf keine Rolle spielen. In diesem Jahr wurden halt Plätze frei, weil Ludger Beerbaum zurückgetreten ist und Christian Ahlmann und Daniel Deußer nicht zur Verfügung standen. Simone: Da sehe ich auch so, allerdings ist es ganz wichtig, uns jungen Leuten auch eine Perspektive nach oben zu geben. Die Arbeit mit den Jungen sollte noch stärker fokus- siert werden. Wenn Otto Becker mir nicht frühzeitig eine Perspektive für den Champio- natskader gegeben hätte, hätte ich Alice wohl eher nicht gehalten. Wie ist euer Verhältnis jetzt zu den älteren Reitern im Team? Ist das freundschaftlich oder eher etwas distanziert? Maurice: Sie helfen uns ganz viel. Simone: Das Verhältnis ist ganz toll, wir wa- ren zum Beispiel vor der EM bei Marcus Eh- ning im Trainingslager. Dort hatte ich ge- sagt, dass ich gerne mal in Stuttgart reiten würde und Marcus sagte, dass ich jetzt als Kadermitglied gehört werden muss. Es ist toll, jetzt so eine Anerkennung zu bekom- men. Früher hätte ich mich gar nicht getraut, Ludger oder Marcus anzusprechen. Habt ihr als Reiter, die schon einmal nomi- niert waren, jetzt einen Vorteil? Maurice: Ich denke nicht. Jeder muss sich jedes Jahr wieder neu beweisen. Simone: Sicher nicht bei der direkten Nomi- nierung, aber auf dem Weg dorthin. Als Mit- glied im Championatskader habe ich die Möglichkeit, ganz andere Turniere zu reiten. Sonst wäre ich ja auch nicht hier in Stuttgart. Maurice: Zum Glück sind wir ja noch jung und haben noch ein paar Chancen. Maurice, welche Eigenschaften von Simone hättest du gerne? Maurice: Ich bewundere diese Übersicht, so wie am Freitagabend hier beim German Mas- ter, als sie im Stechen vorm letzten Sprung noch einmal gewartet hat. Ich selber hätte in der Vergangenheit schon das ein oder an- dere Mal so meinen Kopf einschalten kön- nen, wie sie es da getan hat. Und Simone, umgekehrt – was würdest du gerne von Maurice übernehmen? Simone: Für mich ist Maurice ein abnormal starker Reiter. Diese Doppelnull-Runde in Aachen bei seinem ersten Start … solche Nerven muss man erst mal haben. Das fand ich schon ziemlich cool. Das Gespräch führten Roland Kern und Monika Schaaf. Foto: TOMsPic

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