Turnier-Zeitung 2019 - STUTTGART GERMAN MASTERS

turnier-Zeitung 11 sie dafür verantwortlich gemacht, was man in tokyo zu sehen bekommen wird, wenn nur drei Reiter pro Mannschaft – ohne Streich- ergebnis – antreten. Steve Guerdat ist alles an- dere als „everbody’s darling“. Das war er nie und das will er auch gar nicht sein. Er sagt von sich selbst, dass er manchmal unausstehlich sei. aber meist hat seine Unbequemheit Hand und Fuß. Und sie macht ihn zu einer Persön- lichkeit, die der Reitsport oft vermissen lässt. In die Fußstapfen des Vaters Seine attitude hat sich Steve Guerdat selbst zu- gelegt. Das Reiten hingegen hat er von seinem Vater Philippe in die Wiege gelegt bekommen. als Sohn eines zweimaligen Olympiateilneh- mers war der Weg für ihn vorgezeichnet. Ge- fördert wurde er später von Beat Mändli, 2003 wechselte er in den Stall von Jan tops, dem Gründer und Macher der Global champions tour, die er heute so meidet. Dort ging seine Karriere steil nach oben, doch die regelmäßi- gen Verkäufe der Pferde frusteten das aufstre- bende talent. nach drei Jahren wechselte er nach Belgien und ritt für Oleksandr Onischt- schenko, jenen Ukrainer, der sich seit vielen Jahren seine eigenen nationalmannschaften „zusammenkauft“. als Onischtschenko auch Guerdat für sich gewinnen wollte, war schnell Schluss. Bereits hier war der junge Schweizer konsequent, auch wenn die Entscheidung bedeutete, einige Monate ganz ohne Pferde dazustehen. Doch schnell fand der Stilist im Sattel Förderer, die ihm Pferde kauften, schließlich wurde ihm 2007 sogar der Rütihof in Herrliberg zur Verfügung gestellt, um sich selbstständig zu machen. Mittlerweile zählt der ausnahmespringreiter so einige champi- onatsmedaillen in seinem Zuhause, darunter auch das olympische Einzelgold von London. Steve Guerdat ist seinen Weg gegangen. auch wenn er holprig war und es ihm nicht immer leicht gemacht hat. Dafür hat er sich und seine Prinzipien nie verraten – oder verkauft. Monika Schaaf Steve Guerdat kennt das Gefühl, den Pokal in die Luft zu recken. Immer das nächste Ziel im Blick a uf den ersten Blick ist er einer wie die anderen: weiße Hosen, Kappe, Jackett, Gerte. Ein Springreiter eben. Seit zehn Monaten allerdings trägt er eine armbinde, die sonst keiner hat: die des Weltranglisten-Ersten. Die ist zwar nicht das wesentliche Unterschei- dungsmerkmal zwischen Steve Guerdat und seinen Kollegen, doch sie ist das Ergebnis sei- ner Fokussierung auf den Sport. Während viele Springreiter in erster Linie Unternehmer sind, ist der Olymiasieger von London 2012 Vollblut- sportler. Er lebt für den Erfolg, für das Podest, für den Pokal. Er will vorne stehen. Klar, das wollen alle. aber für viele steht dabei das Preis- geld im Fokus, bei Steve Guerdat ist es der Wille, besser zu sein als die anderen. Dafür ar- beitet er konsequent, dafür geht er auch mal andere, ungewöhnlichere Wege. Weit weg vom großen Preisgeld. Man muss dazu sagen: Steve Guerdat kann es sich leisten. Er hat das große Glück, von top-Sponsoren und großzü- gigen Mäzenen zu profitieren. Und er hat schon so einige Euro an Preisgeld auf seinem Konto anhäufen können. aber auch dies nur, weil er fleißig war. Und seine Ziele verfolgt. Klare Worte Seine Ziele sind in erster Linie die champio- nate. Die Saisonhöhepunkte. Das große Geld wird jedoch woanders gemacht. Bei der Global champions tour. Während sich beinahe jeder Reiter darum reißt, auf den prestigeträchtigen turnieren wie in Doha, Shanghai, Miami oder in cannes zu reiten und im Millionen-Finale in Prag dabei zu sein, sagt Steve Guerdat: Ohne mich! Bei der hochpreisigen Serie werden Startgenehmigungen nicht allein nach sportli- cher Rangierung vergeben, sondern finanzkräf- tige Reiter oder solche mit einem starken Geld- beutel imHintergrund können sich einen Start- platz erkaufen. Das findet der Weltranglisten- Erste unsportlich und sieht keinen Wert darin, sich unter diesen Voraussetzungen mit der Konkurrenz zu messen. Er hat Prinzipien. Und er hat eine Meinung. Die äußert er. auch, wenn das für manch einen unbequem werden kann. So hat sich der 37-Jährige kürzlich in aller Deut- lichkeit mit der FEI, dem internationalen Reit- sportverband, in Konfrontation begeben. Hat Seit zehn (!) Monaten ver- harrt Steve Guerdat auf dem Spitzenplatz der Welt- rangliste. Der Schweizer ist der Inbegriff für Konstanz.

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