REITERJOURNAL-EXTRA 2023 - Freitag

Seite 24 Rei ter journal -Ext ra Freitag, 17. November 2023 Isabell Werth über ihre Zukunftspläne, Pferde mit Potenzial, die verschobene „Paris-Zäsur“ und Emilios Abschied Isabell Werth, die Abschiede Ihrer Pferde in Stuttgart sind uns alle in guter Erinnerung. Ausgerechnet Emilio, der hier viermal den German Dressage Master gewonnen hat, soll hier sang- und klanglose seine Laufbahn abschließen. Wieso? Ich habe mich noch nicht ganz entschieden, wo Emilio sein letztes Turnier gehen wird. Er wird sicher zum letzten Mal in Stuttgart sein. Aber er wird einen würdigen Abschied bekommen. Am meisten bietet sich die Frankfurter Festhalle an, denn dort hat er als Sieger im Louisdor-Finale seine Karriere begonnen und später auch die Große Tour. Da schließt sich ein Kreis. Wie sehen Sie dieses Pferd, das immer im Schatten stand von Weihegold und Bella? Ja, das ist einerseits schade, aber andererseits war er wie die beiden Stuten für mich ein Glücksfall. Ich hatte drei Pferde gleichzeitig, die 80 Prozent und mehr erzielen konnten. In anderen Ställen wäre Emilio sicher die Nummer eins gewesen. Andererseits, in anderen Ställen wäre er vielleicht gar nie in den Sport gekommen, weil er beim Aufsitzen so schwierig war. Mein damaliger Bereiter Matthias Bouten hat sich da riesige Mühe gegeben. Sie bringen außerdem Superb an den Start, Ihre nächste Olympiahoffnung? Erst einmal muss ich es ins Team schaffen, dann ist nach dieser Saison Quantaz meine Nummer eins. Es stimmt, sie ist wieder topfit. Und wenn sie im Viereck das zeigt, was sie kann, dann ist sie ein Championatspferd. Im vergangenen Jahr hat der Wechsel des ehemaligen Bundeschampions So Unique für Aufmerksamkeit gesorgt, wie läuft es mit ihm? Vielleicht doch nochmal Olympia 2028? Warum nicht? In einer Liga mit So Unique sehe ich auch noch meine weiteren Nachwuchspferd Joshua, auch Valdiviani. Alle drei sind herausragend, jeder auf seine Art. Ich hatte noch nie Pferde mit einem größeren Potenzial. Und zu 2028: Es stimmt, ich habe mal davon gesprochen, dass Paris 2024 eine Zäsur sein würde. Das nehme ich hiermit zurück. Ich habe so einen Spaß im Moment, dass ich nicht ans Aufhören denke. Mick Jagger steht auch mit 80 Jahren noch auf der Bühne (lacht). Darf ich eine persönliche Frage stellen? Das tun Sie doch schon die ganze Zeit… Okay. Etwa vor einem Jahr haben Sie ziemlich komplett Ihr Auftreten geändert, kurze Haare, neue Brille. Warum? Das hatte einen ganz einfachen Grund, nämlich, dass ich im Urlaub endlich mal Zeit hatte, zum Frisör zu gehen. Und die Brille brauche ich jetzt öfter, das geht anderen Leuten in meinem Alter auch so. Es war aber interessant, was einige Leute da so hineingedichtet haben. Also nein: keine Midlife-Crisis! Und beim Reiten tragen Sie Kontaktlinsen? Nein, so viel sehe ich noch, dass ich die Punkte treffe. Und ich erkenne sogar, wer im Richterhäuschen sitzt. Im letzten Jahr haben wir an dieser Stelle viel über selbst ernannte Tierschützer und ihren Einfluss auf den Dressursport gesprochen. Man hat den Eindruck, das hat sich alles ein bisschen beruhigt. Sehen Sie das auch so? Teilweise. Es stimmt, dass wir unseren Sport mittlerweile ein bisschen besser erklärt bekommen, zum Beispiel durch die Info Stewards am Abreiteplatz. Ich beobachte wachsendes echtes Interesse und mehr Zuschauer auf den Turnieren. Das steht imWiderspruch zu dem Bild, das teilweise in den sozialen Medien suggeriert wird. Wir dürfen nicht nachlassen, unseren Sport weiter zu erklären. Und zwar als Sport, der sowohl dem Pferd als auch dem Menschen Leistung abverlangt. Diese Leistung kommt nicht angeflogen, sondern ist das Ergebnis eines langen Trainings, in dem es Höhen und Tiefen gibt. Wir müssen raus aus dieser ständigen Verteidigungshaltung. Sehen Sie, ich habe im Moment bei mir zu Hause acht Pferde auf der Wiese, alle über 20 Jahre alt, die glücklich und zufrieden sind. Das waren alles sehr erfolgreiche Grand Prix-Pferde. Das zeigt, wie wir unsere Spitzenpferde betreuen und uns um ihr Wohlergehen kümmern. So bleiben sie fit und können alt werden. Anderes Thema. Sie selbst stammen, wie man weiß, aus eher einfachen Verhältnissen und haben sich mit Talent und Ehrgeiz hochgearbeitet. Ihre Schülerinnen – wie Lisa Müller oder mehr noch Victoria Max-Theurer – starten heute mit großen finanziellen Möglichkeiten. Ist das Ihrer Ansicht nach eine gute Entwicklung im Dressursport, dass Reichtum offenbar eine Voraussetzung des Erfolgs ist? Nein, das sehe ich anders. Es gibt auch genügend Beispiele von Reiterinnen und Reitern, die nach oben kommen ohne einen starken finanziellen Hintergrund. Weil sie Talent haben und vielleicht zur richtigen Zeit die richtigen Menschen getroffen haben. Sehen Sie Lisa Müller. Sie hat als junges Mädchen von Pferden geträumt und mit dem Reiten begonnen. Jetzt hat sie die Möglichkeit, sich Spitzenpferde auszusuchen. Mittlerweile ist sie mit den Pferden zusammengewachsen „Mick Jagger steht auch noch auf der Bühne“ Foto: TOMsPic

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