REITERJOURNAL-EXTRA 2023 - Freitag

Seite 36 Rei ter journal -Ext ra Freitag, 17. November 2023 Adrian Schmid hat Geduld haben müssen, aber das haben Schweizer ja bekanntlich. Auch wenn sie in Deutschland leben. Adrian war zwölf Jahre alt, als er mit seiner Familie nach Sauldorf-Boll kam, das liegt im Kreis Sigmaringen. Das war 1995. Vater Karl, Pferdemann, Ärmel-Hochkrempler, Selfmade-Unternehmer, Grantler und ein origineller Typ, suchte für seine wachsende Firma einen Platz, eine Reitanlage, bezahlbar, groß genug. Das gab es dort. So zogen die Schmids mit jeder Menge Pferdeboxen nach Oberschwaben. Karl Schmid hatte sich 20 Jahr zuvor mit einer Zeltverleih-Firma im Raum Schaffhausen und Basel selbstständig gemacht. Musikvereine und Trachtenkapellen waren seine ersten Kunden, dann wuchs der Turniersport und Hobbyreiter Schmid sattelte auf Stallzelte mit Gastboxen um. Eine Weile gehörte er zu den größten Anbietern in Europa. Dass der Sohn einmal Berufsreiter werden würde, war nicht unbedingt geplant. Als Adrian aber nach der Schule nur noch reiten wollte, gab der Vater seinen Segen. „Wenn man fleißig ist und hart arbeitet, ist es egal, was man einmal gelernt hat“, sagt Karl Schmid. Er selbst musste nach der Schule Metzger werden, ohne es zu wollen. Als junger Kerl ging Adrian ein paar Monate an den Stall der Brüder Mändli, das gab ihm das Rüstzeug für die weitere Laufbahn, zählt man das Talent hinzu, das ihm in die Wiege gelegt ist. Er reitet einfach Seines Glückes Schmi(e)d Der in Oberschwaben lebende Schweizer darf erstmals in der Großen Tour starten – mit dem Pferd seines Lebens. nach Gefühl. Einen festen Trainer hatte er ansonsten nie. „Ich hab’ mir immer viel abgeschaut“, berichtet er. Und den Fleiß hat er vom Vater: Im Pferdesportzentrum Boll ist Adrian von morgens bis abends auf den Beinen. Vom Misten bis zum letzten Absatteln. 2023 ist die bislang erfolgreichste Saison des heute 40-jährigen Familienvaters. Die Krönung: die Bronzemedaille bei den Schweizer Meisterschaften im August in Ancona. Das war der Durchbruch in der harten Konkurrenz der Eidgenossen, die schon eine Weile als kleine Nation nicht weniger erfolgreich sind als das Nachbarland Deutschland. Mittlerweile ist Schmid als „Legionär“ Mitglied im Schweizer Elite-Kader, nominiert für die große Piste im Frankfurt, Basel – und eben Stuttgart, zum ersten Mal. Und nächstes Jahr ist alles offen, nach oben. Der Karrieresprung hat viel mit dem jetzt zehnjährigen Holsteiner Schimmelwallach Chicharito zu tun, den Adrian Schmid seit zwei Jahren reitet. Der Laupheimer Pferdehändler Oliver Reinhardt ist zwar Mitbesitzer, aber Schmid hat mittlerweile so viele Anteile übernommen, dass der Wallach unverkäuflich ist. „So ein Pferd bekomme ich wahrscheinlich nie mehr in meinem Leben“, schätzt der Reiter. An dem Holsteiner gefällt ihm vor allem dessen Einstellung und die Übersicht im Parcours. „Er ist nicht der Schnellste, aber wenn er immer null geht, ist das auch gut“, findet er. Er setzt ihn gezielt nur auf großen Turnieren ein, das letzte Springen auf einem regionalen Turnier in der Schweiz vor der Großen Tour in der SchleyerHalle war nur 1,35 Meter hoch. Das geht, weil Adrian Schmid mittlerweile gut beritten ist und mehrere Pferde zur Auswahl hat. Mit vier Pferden reist er in der SchleyerHalle an. Etwa 15 Pferde trainiert er in Boll, fast alle reitet er selbst. Im Häuschen neben der Reitanlage lebt er mit seiner Lebenspartnerin Marion Hägler, die auch Springreiterin ist, und Sohnemann Justin (4). Für das abschließende Training war Schmid übrigens wieder mit Beat Mändli über Video in Kontakt. Der frühere Olympiareiter und Mentor lebt mittlerweile in den USA. Der Schweizer aus Boll schickt Trainingsvideos und der Schweizer in Amerika analysiert sie. Es funktioniert. Roland Kern

RkJQdWJsaXNoZXIy NDAzMjI=