REITERJOURNAL-EXTRA 2023 - Samstag

Seite 32 Rei ter journal -Ext ra Samstag, 18. November 2023 „In der Schleyer-Halle bekomme ich Gänsehaut“ Disziplintrainer Jonny Hilberath spricht über besondere Momente in Stuttgart und die deutschen Dressurpaare. Welche Rolle spielen die Stuttgarter German Masters in Ihrem Turnierkalender? Ich erinnere mich noch daran, wie ich das erste Mal selbst in der Schleyer-Halle geritten bin. Das hatte Championats-Charakter. Ich mag die Halle und habe bei der Stimmung hier Gänsehaut. Wir haben hier schon viele außergewöhnliche Momente erlebt. Haben Sie noch anderen Bezug zum Ländle? Mein Bruder lebt ganz in der Nähe, in Plüderhausen. Und ich habe auch einige Freunde hier in der Gegend. Sie sind seit 2012 Disziplintrainer, seither wurde fast durchgehend Isabell Werth Dressage Master in Stuttgart. Viermal davon mit Emilio. Mit ihm wird auch ein sehr konstantes Pferd in Rente verabschiedet. Wie wichtig sind solche Paare für den deutschen Dressursport? Diese Berechenbarkeit macht ein Championatspaar aus. Isabell ist seit Jahrzehnten als Reiterin ein Garant, weil sie im Viereck nichts liegenlässt. Das ist kein Zufall, dazu gehört viel Arbeit, die richtige Vorbereitung, das präzise Reiten im Viereck. In diesem Jahr bringt nur Matthias Alexander Rath mit Thiago sein Championatspferd mit. Welche Gründe hat es, dass in diesem Jahr doch einige Top-Reiter und Top-Pferde in Stuttgart fehlen? Wir unterstützen das auch ehrlich gesagt ein bisschen. Wir möchten erfahrenen jungen Reitern wie Raphael Netz oder Bianca Nowag-Aulenbrock die Möglichkeit geben, vor einem solchen Publikum und in dieser Konkurrenz zu reiten. Raphael Netz hat heute bereits eine sehr gute Leistung gezeigt. Ja, das war lehrbuchmäßig und ist für uns natürlich eine tolle Bestätigung für die Ausbildung und das ganze Management. Was geben Sie den Reitern in der Vorbereitung mit auf den Weg? Im Prinzip ist es egal, wo das Viereck steht, es wird immer der Grand Prix geritten. Das Training und die Vorbereitung sind das Entscheidende. Die Form muss stimmen. Wir haben das Glück, unsere jungen Reiter lange zu kennen, sie haben alle bereits gelernt, mit einem gewissen Druck umzugehen. Die Schleyer-Halle ist als Hexenkessel bekannt. Wie wichtig ist es, als Reiter seine Emotionen unter Kontrolle zu haben? Es ist absolut wichtig, die Nerven zu behalten. Jeder, der hier startet, hat natürlich sehr hohe Erwartungen. Hier sind die Startplätze hart umkämpft und wenn man hier reiten darf, macht man sich per se selbst Druck. Jeder Reiter will die Erwartungen erfüllen. Inzwischen gibt es auch einige neue Trainingsansätze wie beispielsweise die Zusammenarbeit mit Mentaltrainern und die junge Generation ist da sehr offen dafür. In Stuttgart werden das Piaff-Förderpreis-Finale und der IWEST-Preis ausgetragen. Hier sind vielversprechende Paare am Start. Wie sind wir in puncto Nachwuchs aufgestellt? Monica und ich fahren sehr häufig zu den verschiedenen Reitern und Ställen und wir haben viele Pferde, die Grand Prix-fertig sind oder bereits Grand Prix mit ihren Reitern gegangen sind. Daher sind wir von der Grundqualität her sehr gut aufgestellt. Jetzt gilt es, weiter daran zu arbeiten und zukunftsorientiert zu trainieren. Bei den Europameisterschaften in Riesenbeck lief es gut für Deutschland, Jessica von Bredow-Werndl holte sicher Einzelgold. Waren Sie nervös vor dem Aufeinandertreffen mit Charlotte Fry? Nein. Ich weiß, wie stark Jessica und Dalera sind und ich war sehr optimistisch, was das Aufeinandertreffen der Giganten angeht. Natürlich heißt das nicht, dass man Jessica nicht toppen kann. Die beiden Charlottes sitzen uns im Nacken im Hinblick auf die Olympischen Spiele … Ja, sicherlich. Aber es zählt immer der Tag der Prüfung und gerade Championate haben oft ihr eigenes Gesetz. Unsere Stärke ist, dass unsere Championatsreiter allesamt starke Nerven haben. Sie strukturieren ihren Tagesablauf sehr genau und überlassen da nichts dem Zufall. Aber natürlich ist es immer schwieriger, wenn man der Gejagte ist. Dann muss man liefern. Zwei Pferde waren verletzt und sind für die EM ausgefallen – Famoso und Fendi. Wie sehen Sie die Chancen, dass beide sich für Olympia qualifizieren können? Beide sind wieder auf einem guten Weg, Famoso ist bereits das erste Turnier gegangen. Das sah sehr gut aus. Fendi habe ich ebenfalls gesehen und auch er macht einen guten Eindruck. Warten wir mal ab bis nach Weihnachten. Eine Frage zur LPO: Ab 2024 gilt die neue Version und es gibt auch für die Dressurprüfungen Neuerungen. Unter anderem gibt es eine Dressurreiter-S. Was halten Sie davon? Grundsätzlich finde ich diese Prüfungen sehr lobenswert und sinnvoll, auch zukunftsweisend sehr sinnvoll. Gerade, weil nicht die Qualität des Pferdes vordergründig ist, sondern das technische Reiten, der Sitz und die Einwirkung. In anderen Ländern wird die Wahlfreiheit zwischen Trense und Kandare bereits seit vielen Jahren praktiziert. Wären Sie für eine Einführung in Deutschland? Wenn ich selbst am Richtertisch sitzen würde, würde ich mir eine Vergleichbarkeit wünschen. Wenn ein Pferd auf Kandare in Selbsthaltung und mit leichter Einwirkung geht, ist das für mich gewissermaßen die Vollendung. Es ist ja nicht so, dass ein Reiter viel feiner reitet, nur weil er auf Trense reitet. Wie oft sitzen Sie eigentlich noch selbst auf dem Pferd? Wenn ich zuhause bin, jeden Tag. Das Interview führte Maria Jürgens. Foto: TOMsPic

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