REITERJOURNAL-EXTRA 2023 - Samstag

Seite 36 Rei ter journal -Ext ra Samstag, 18. November 2023 Der Spezielle Isabell Werths Emilio geht seine letzte Saison – als junges Pferd war er unreitbar. Das Pferd hat einen Riecher. Wenn der Schmied auf den Hof fährt bei Isabell Werth in Rheinberg, wird Emilio unruhig. Er spürt, dass der Mann kommt, bevor er richtig da ist. „Wie er das merkt, weiß keiner“, schmunzelt Isabell Werth, seine Reiterin und Ausbilderin. Sie mag diesen jetzt 17-jährigen Wallach, weil er besonders ist. „Ein Pferd mit Charakter“, beschreibt die 21-fache Europameisterin. Dieser Charakter war anfangs allerdings kompliziert. Emilio, Westfale von Ehrenpreis aus der Erfolgszucht der Familie Strunk in Bochum, mit der Isabell Werth öfter zusammenarbeitet, kam als junges Pferd an ihren Stall, weil er eigentlich als unreitbar galt. Das Problem: Er ließ niemanden aufsitzen. Wenn er über seinem Rücken etwas bemerkte, flüchtete er auf und davon. „Wir haben versucht herauszufinden, was da vorgefallen ist, wir wissen es nicht“, beschreibt sie. Damals war Matthias Bouten als Bereiter an ihrem Stall. Er habe sich unglaubliche Mühe gegeben, erinnert sich die Chefin. Am Ende haben Scheuklappen geholfen, also ein Sichtschutz nach hinten. Und natürlich viel Geduld. Es dauerte einige Monate, bis Emilio einen Reiter aufsitzen ließ. So kam es auch, dass Emilio erst relativ spät auf Turnieren vorgestellt wurde. Aber dann gleich richtig! Mit acht Jahren stand er im Finale des Nürnberger Burg-Pokals, ein Jahr später wurde er Sieger im Louisdor-Preis der besten jungen Grand Prix-Pferde. „Seine hohe Sensibilität hat ihn später auch so erfolgreich werden lassen“, beschreibt die Reiterin, die demWallach gegenüber eine große Dankbarkeit empfindet. Zwar stand er immer im Schatten der beiden Championatspferde Weihegold und Bella Rose, wurde nie auf einem Championat eingesetzt. „Aber er gab mir große Sicherheit und hat den beiden Stuten den Rücken frei gehalten“, sagt sie. Im Viereck ist auf den großrahmigen Braunen stets Verlass. Er hat über 50 Grand Prix gewonnen (vier Mal den Dressage Master in Stuttgart, 2015, 2016, 2018 und 2019), seine Lebensgewinnsumme liegt bei über einer halben Million Euro. Nun ist es ihm nicht vergönnt, am Sonntag den fünften Titel zu holen (womit er Isabell Werths Gigolo überflügeln würde). Denn Isabell Werth setzt Emilio am Samstag in der Weltcup-Kür ein. Übrigens ist der Wallach verwandt mit seiner früheren Stallgefährtin Bella Rose, die aus demselben Zuchtstall stammt. Bellas Mutter Cedra und Emilios Mutter Celina sind Halbschwestern und gehen tatsächlich auf den Anglo-Araber Cacir AA zurück. Das orientalische Blut hat allerdings im Exterieur die leichtfüßige Fuchsstute deutlich mehr geprägt als den Wallach. „Ich weiß noch nicht ganz genau, wann sein letztes Turnier sein wird, aber sicher ist Emilio dieses Jahr zum letzten Mal in Stuttgart dabei“, erklärt seine Ausbilderin. Im Moment ist Frankfurt die Option, weil sich dort acht Jahre nach dem Louisdor-Sieg ein Kreis schließen würde. Dann darf er auf die Rentnerwiese, auf der die ganzen Kumpel stehen. Roland Kern Isabell Werths Wallach Emilio ist zum letzten Mal in Stuttgart am Start. „ „Seine hohe Sensibilität hat ihn später auch so erfolgreich werden lassen“ Isabell Werth Foto: Lafrentz

RkJQdWJsaXNoZXIy NDAzMjI=