37 tion zu beziehen für unseren Sport. In den vergangenen zehn Jahren wurde für den Reitsport, gerade unter dem Welfare-Gedanken, unglaublich viel getan. Wir hatten auf dem Turnier noch nie mehr Stewards und Tierärzte. Wir standen noch nie mehr unter Beobachtung. Wir haben uns aber auch noch nie so oft selbst reflektiert wie im Moment. Das müssen wir in der Öffentlichkeit auch vertreten und selbstbewusst darstellen. Dazu gehört auch, dass wir zum Leistungssportgedanken stehen – beim Reiter und beim Pferd. Dazu müssen wir noch mehr raus aus unserer Blase und Gespräche mit Menschen führen, die einen unverstellten Blick von außen haben. Wir müssen über unseren Tellerrand hinausschauen und gute Argumente für den Sport haben, sachlich und fachlich. Und das haben wir auch. Zum Stuttgart German Master: Sie haben hier 17 Mal am Sonntag den „Dressage Master“ gewonnen, neun Mal die FEI Dressage World Cup™-Kür. Was bedeutet Ihnen dieses Turnier? Es gehört zu den wichtigsten Turnieren der Welt und meines Lebens. Sie werden dieses Jahr Quantaz und D’Avie von Ihrer Schülerin Lisa Müller satteln. Was rechnen Sie sich aus? Siege 18 und zehn? Mit Quantaz strebe ich dieses Jahr das FEI Dressage World Cup™-Finale in Basel an, da wäre ein Sieg in der Stuttgarter Weltcup-Tour natürlich ein wichtiger Meilenstein. Wenn er sich nicht so aufheizt, haben wir sicher gute Chancen. Die Schleyer-Halle ist zwar ein HeIsabell Werth ist nun die erfolgreichste, deutsche Olympionikin. Tatsächlich haben Sie in den vergangenen 30 Jahren zahlreiche Olympische Spiele besucht, was war an Paris so besonders? Das ist schon einmal der Kontrast zu Tokio, das waren während der Corona-Pandemie ja Geisterspiele. Das war jetzt in Paris genau das Gegenteil. Ich habe noch keine Olympischen Spiele erlebt, in der die Geschichte und historischen Gebäude einer Stadt so eindrucksvoll mit den Sportstätten in Szene gesetzt worden ist. Das war einmalig. Ich werde diese Gänsehaut nie vergessen, die ich bekam, als ich in das Dressurstadion eingeritten bin und das Schloss vor uns lag. Die Bilder vor dem Schloss von Versailles gingen um die Welt – hat der Dressursport die Gelegenheit genutzt, für sich zu werben? Wir haben zur rechten Zeit, am rechten Ort die richtige Antwort geben können und tollen Sport gezeigt. Die Zuschauer, die Atmosphäre und die Stimmung waren fantastisch. Jetzt gilt es da weiter anzuknüpfen und das zu multiplizieren. Ich habe auch hinterher noch mit so vielen Menschen gesprochen, die von diesen Bildern emotional berührt waren. Das war ein wichtiges Zeichen. Das nächste Großereignis und hoffentlich ein weiterer Meilenstein werden die FEI World Championships 2026 in Aachen sein. Wir haben jetzt zwei Jahre und noch eine EM um gemeinsam daraufhin zu arbeiten, die positive Stimmung mitzunehmen und den Reitsport in Aachen zu zelebrieren. Und dennoch reißen die Diskussionen nicht ab, ob Dressurreiten olympisch bleibt. Sehen Sie hier auch eine Gefahr? Diese Diskussionen kenne ich seit meinem ersten olympischen Start. Ich sehe im Moment gerade nach diesen Spielen keine akute Gefahr, aber auch weil wir uns bewegt haben – übrigens in allen drei Disziplinen. Wir haben dieses Jahr sehr viele Fahnen gehabt, sehr viele Nationen. Das ist auch eine Folge der Reduzierung der Teamgröße, was sportlich gesehen nicht unkritisch ist, aber wir drehen da das Rad sicher nicht mehr zurück. Aber wir dürfen uns da auch nicht zurücklehnen. Also müssen wir den Reitsport auch mehr in der Mitte der Gesellschaft verankern? Wir Reiter müssen uns im Klaren darüber sein, dass wir für die Zukunft unseres Sports selbst verantwortlich sind. Das heißt für mich: Für Selbstkritik immer offen sein, aber auch PosiFotos: Lafrentz xenkessel, aber die Pferde fühlen sich wohl hier. Und D’Avis ist ein super Talent und wunderschöner Hengst. Neulich vor Hagen, unserem ersten gemeinsamen Start, hatte ich ihn nur wenige Male geritten. Jetzt hatten wir mehr Anlaufzeit, Ich glaube, auch im Master können wir vorne mitmischen. Ihr Olympiapferd Wendy hat Pause – wie ist die weitere Planung mit ihr? Sie geht in diesem Jahr noch mit nach Stockholm, dann bekommt sie Pause bis ins nächste Frühjahr. Sie ist ja erst zehn Jahre alt und sie hat wirklich geliefert in diesem Jahr. Sie ist meine Nummer eins, und natürlich will ich sie imnächsten Jahr bei der Europameisterschaft einsetzen. In den vergangenen Wochen haben Sie sich in den Medien ziemlich deutlich zur Verbandsarbeit der FN geäußert. Könnten Sie sich eigentlich vorstellen, nach Ihrer aktiven Zeit auch ein Funktionärsamt zu haben? Nein, das habe ich noch nie ins Auge gefasst. Ich habe aber noch nie einen Hehl aus meiner Meinung gemacht. Und in den letzten Monaten hat mich die Situation des Reitsports so sehr beschäftigt wie noch nie. Und ausgerechnet in dieser Phase beschäftigt sich unser Verband überwiegend mit sich selbst, statt sich mit der Zukunft unseres Sports auseinanderzusetzen. Das ist der Grund, weshalb ich mich so engagiert habe. Es geht dabei jedenfalls nicht um meinen persönlichen Vorteil, sondern ich sehe die Gefahren für den Sport und möchte nach meiner Überzeugung handeln. Das Interview führte Roland Kern
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