Turnier-Zeitung 2025 - STUTTGART GERMAN MASTERS

Turnier-Zeitung 39 2022 siegte Moritz Treffinger im Finale des iWEST Dressur-Cups in Stuttgart. Es war einmal ein kleiner Junge mit Locken und dunklen Augen, der seine Ponystute Frisbee liebte wie ein Bruder. Er konnte sich stundenlang mit dem Pferdchen beschäftigen. Er bürstete ihr Fell, drehte die Mähne zu lustigen Zöpfchen und kletterte auf ihren Rücken, wenn Frisbee das mochte. Und meistens mochte sie es. Warum diese Geschichte wie ein Märchen anfängt? Weil es eins ist. Aber ein wahres. Es ist die Geschichte des jungen Dressurreiters Moritz Treffinger aus der badischen Provinz, der gerade wie ein Komet durchstartet mitten unter die besten Vierecksportler der Welt. „Es ist wie ein Traum.“ Diesen Satz hat der 22-jährige Bereiter und Jungprofi in Diensten des Brandenburger Erfolgsgestüts Bonhomme in diesem Jahr schön öfter wiederholt. Bei seinem Deutschen Meistertitel, bei seiner Nominierung für die FEI Dressage European Championship U25, beim Mannschaftstitel, beim Einzelgold, beim Sieg im Piaff-Förderpreis-Finale, bei seinem ersten FEI Dressage World Cup™-Auftritt neulich in Dänemark – und jetzt wieder bei seiner Berufung ins erlesene Starterfeld der Stuttgart German Masters. Bundestrainerin Monica Theodorescu hat ihn gleich für beide Touren nominiert: Mit dem Rapphengst Cadeau Noir wird er im FEI Dressage World Cup™ Grand Prix Freestyle antreten, mit dem dunklen Fuchs Fiderdance in der Vier-Sterne-Tour. Nun ist es nicht so, dass Moritz Treffinger die Schleyer-Halle nicht von innen kennen würde. Schon als Bub besuchte er mit seinen Eltern das Turnier wie jeder Reiter hierzulande. 2022 durfte er als Finalist des iWest-Cups dann erstmals einreiten – und siegte prompt im Sattel seines Wallachs Treffingers Superstition aus eigener Zucht. Aber ehrlich: Wenn ihm damals jemand vorausgesagt hätte, dass er nur drei Jahre später als amtierender Europameister in der Großen Tour an den Start geht – er hätte nur ungläubig den Kopf geschüttelt. Aber jetzt ist es so weit. Selbstgemachter Erfolg Moritz Treffinger ist mit Pferden großgeworden. Mutter Santina ist früher ländlich Dressur geritten, sie war seine erste Trainerin. Die selbstgezüchteten Pferde der Familie stehen in Oberderdingen in einem kleinen Stall neben dem Reiterverein. Es wird selbst gemistet und selbst gefüttert. Tag für Tag. Wenn die Kumpels seinerzeit nach der Schule ins Schwimmbad gingen, hatte Moritz Dienst im Stall. Aber er hätte nicht tauschen wollen. Während seine Mutter ritt, spielte Moritz schon als Kindergartenkind mit Frisbee. Als er vier Jahr alt wurde, ritt er seine erste Führzügelklasse. No Limit hieß sein erstes FEI-Pony, da war er elf. Dann kam die schwer zu bändigende Ponystute Top Queen. Moritz knackte sie – und wurde Europameister. 2019 holte er bei den Junioren den Deutschen Meistertitel. Schon damals verhehlte er seinen Berufswunsch nicht: Berufsreiter werden, nach dem Abitur. Wie nach Hause kommen Es war abzusehen, dass er sich eine Ausbildungsstelle aussuchen konnte. Ein Europameister bewirbt sich nicht alle Tage. Durch die Aufnahme ins Exzellenz-Projekt des CHIO Aachen konnte er weitere Netzwerke knüpfen. Auch Isabell Werth war interessiert. Aber dann kamder Zufall ins Spiel. Schon länger hatte Treffinger die prächtigen Hengste des Gestüts Bonhomme bewundert. In einem Online-­ Artikel las er, dass die australische Championatsreiterin Simone Pearce das Gestüt verlassen würde und man sich nach einem neuen Bereiter umschaue. Gerne gebe man auch einem jungen Talent eine Chance. Da fasste sich der Abiturient ein Herz und schickte eine Bewerbung los, obwohl er von einem anderen Stall schon eine Zusage hatte. Am nächsten Tag kam die Einladung zum Probereiten und wenige Wochen später zog Moritz Treffinger von Oberderdingen nach Potsdam. Dass daraus eine solche Erfolgsstory werden sollte, konnte niemand ahnen. Niemals waren die Bonhomme-Hengste erfolgreicher als jetzt unter dem jungen Mann aus Baden, der sich so herzlich freuen kann. Dabei hat Treffinger im Gestüt – im Gegensatz zu anderen Jungprofis auf seinem Niveau – gar keinen festen Trainer. Gestütsgeschäftsführer Robert Conredel ist eher Mentor und Manager der Erfolge. Zum Training macht sich öfter Sebastian Heintze auf den Weg, auf Turnieren schaut natürlich Bundestrainerin Monica Theodorescu und ihr neuer „Co“, Hendrik Lochthowe, nach dem Jüngsten ihrer Kaderleute. Aber für Moritz Treffinger ist es nicht neu, das Training selbst zu organisieren. Das hat er schon immer so gemacht. Die Schleyer-Halle ist für ihn nun wie ein Nachhausekommen. Viele Baden-Württemberger werden ihm zujubeln. Neulich in Herning hat er zum ersten Mal seine Kür gezeigt. Mit Musik der Backstreet Boys, das gab es auch noch nie. „Das wollte ich schon immer“, strahlt er. Nur eine Befürchtung hat er dabei: „Ich muss aufpassen, dass ich nicht laut mitsinge.“ Es ist halt wie im Märchen. Roland Kern

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