Dort, wo man ihn eigentlich entdecken und fördern sollte, wurde das Potential des Wallachs nicht entdeckt, wahrscheinlich nicht wegen der ständigen Sitzungen oder Außer-Haus-Termine. Gemeint ist das Deutsche Olympiade-Komitee für Reiterei, kurz DOKR, in Warendorf. Dort nämlich ritt eine Studentin täglich den Hannoveraner Gigolo in leichten Lektionen, wie man eben einen Anfänger langsam ausbildet. Gigolo war gerade vier Jahre alt.
Und da besagte Dame das Studium ernster nahm als die Reiterei, bot sie den Fuchs zum Kauf an. Besitzer wurde Dr. Uwe Schulten-Baumer junior, der heute Chefarzt im niederbayerischen Eggenfelden ist, damals aber noch als Mediziner in Warendorf praktizierte und seine Pferde ebenfalls im Leistungszentrum eingestellt hatte. Als Uwe Schulten-Baumer – Einzel-Europameister 1981 auf Madras in Laxenburg (Österreich) und dazu mit dem Team fünf Mal Titelträger sowie Vizeweltmeister 1978 auf Slibovitz – auch nicht mehr genügend Zeit für Gigolo hatte, rief er seinen Vater an. Das war 1989.
Der „Meister-Macher“ reiste mit seiner Schülerin Isabell Werth an. Leistungsstand des Wallachs: L- und M-fertig. Isabell Werth: "Ich habe mich sofort auf Gigolo wohl gefühlt." Uwe Schulten-Baumer senior: "Mich beeindruckten die Grundgangarten, also Schritt, Trab und Galopp, der ganze Schwung des Pferdes." Dr. Uwe Schulten-Baumer formte den Wallach zu einem überragenden Weltklassepferd in diesem Metier aus Disziplin, Exaktheit und Ordnung.
Der fast gnadenlose Durchmarsch für die Konkurrenz begann 1991 mit der Deutschen Meisterschaft und zwei Goldmedaillen (Mannschaft und Einzelwertung) bei der Europameisterschaft in Donaueschingen. Danach folgten Mannschafts-Gold und Einzelsilber bei Olympia in Barcelona 1992, unter Isabell Werth holte der Fuchs weiter Gold bei den Europameisterschaften 1993, 1995 und 1997, er trabte zur Weltmeisterschaft 1994 und 1998, er tanzte zu den Klängen von "Just a Gigolo" zu zweimal Olympia-Gold in Atlanta. Mit dem Sieg im Team und Einzel-Silber in Sydney hatte der jetzt 17 Jahre alte Sohn von Graditz aus einer Mutter von Busoni xx seinen letzten großen sportlichen Auftritt in seiner Karriere.
Gigolo ist das erfolgreichste Pferd der Welt und mit genau 883.918 Mark auch weltweit das gewinnreichste Dressurpferd. Auf die Frage, was das Herausragende an Gigolo gewesen ist, antwortet "der Doktor", wie Dr. Uwe Schulten-Baumer respektvoll genannt wird: "Seine Leistungsbereitschaft. Er hat uns nie hängen lassen, trotz seines Temperaments. Er war nie ernsthaft krank." Und Isabell Werth meint: "Von Anfang an hatte ich volles Vertrauen in den intelligenten Fuchs."
Den ersten großen Erfolg ritt Isabell Werth 1991 beim internationalen Turnier in der Dortmunder Westfalenhalle heraus, als sie den Grand Prix Special gewann. Es war der Anfang einer beispiellosen Laufbahn für ein Pferd, das bis auf eine M-Dressur immer nur auf höchstem Niveau gegangen ist. Die Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle bietet mit Sicherheit die geeignete Bühne, um dieses einmalige Pferd im Rahmen der STUTTGART GERMAN MASTERS als echten Athleten vom großen Sport zu verabschieden.
Dieter Ludwig
